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     „Der Bildstock an der Altmühlbrücke

 ist einer der geheimnisvollsten in der Region

  und kennt keine unmittelbaren Vergleiche.“

 

 

 

 Fotos

 

steinsaeule 2 20220509 1648260953Mit diesem bedeutungsschwangeren Satz beginnt der Informationstext neben dem „Fischmarterl“, wie das etwa 1,80 Meter hohe steinerne Denkmal an der Brücke landläufig genannt wird. Es steht  in unmittelbarer Nachbarschaft der dortigen Marienkapelle. Schon auf den ersten Blick weist die einmalige Form auf seine Bedeutung hin. Der Steinmetz hat sich sichtlich Mühe gegeben, diese mit Hammer und Meißel für jedermann erkennbar aus dem festen Korallenkalkstein herauszuarbeiten: eine Basissäule mit vier abgeschrägten Kanten und umrandetem Fischrelief, darüber ein breiterer giebelförmig gestalteter Säulenkopf mit einer spitzbogigen Nische und einem Zackenrand darunter. 

Was kann man über die „geheimnisvolle“ Steinsäule am Straßenrand herausfinden:

  • Wer hat sie wann aufstellen lassen?
  • Was hat sie zu bedeuten?
  • War das hier schon immer ihr Standort?

Neben der bereits erwähnten kleinen Informationstafel können diverse Ortschronik-Einträge und Zeitungstexte - da besonders eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Stein von J. B. Müllerin den 1960er Jahren („Alter Fischgrenzstein an der Altmühl“) - sowie zusätzliche Recherchen im Internet mit neuen Erkenntnissen weiterhelfen. Aufschlussreich ist nicht zuletzt die Beschreibung des Fischmarterls von Professor Dr. Konrad Tyrakowski in seinem Beitrag „Die Altmühl – ein fischreicher Fluss“, abgedruckt im Sammelband 107 des Historischen Vereins Eichstätt aus dem Jahr 2015.

 

Doch der Reihe nach. Auf der angesprochenen Infotafel neben unserer Steinsäule heißt es nach dem eingangs zitierten einleitenden Satz:

„Im Oberteil mit rundbogigem Abschluss ist eine dachförmige Nische eingearbeitet, die an Lichtnischen in spätmittelalterlichen Häusern erinnert. In dieser befand sich ursprünglich wohl die Darstellung eines oder einer Heiligen. Heute ist darin eine moderne Metalltafel mit dem Ortsheiligen Vitus zu sehen.

Am unteren Rand der Oberteils findet sich ein Zackenfries, über dem früher die Jahreszahl 1494 gestanden haben soll.

Auf dem rechteckigen Säulenschaft zeigt sich die Darstellung eines Fisches. Die Einfassung stellt vielleicht den Rand eines Keschers dar.

Eine Deutung ist schwierig, die Säule könnte ein sichtbares Zeichen für die Grenze eines Fischlehens dargestellt haben.“

Der Text bietet einige interessante Informationen, unsere oben gestellten Fragen bleiben trotzdem weitgehend offen. Es treten sogar neue Fragen auf:

  • Seit wann enthält der Bildstock die moderne Metalltafel mit St. Vitus?
  • Was/Wer war vorher abgebildet?
  • Was hat der Zackenfries zu bedeuten?
  • Ist bzw. war da wirklich nur ein einziger Fisch als Relief im vermuteten Kescher zu sehen?
  • Ist die angebliche Jahreszahl1494 plausibel?

Dass der Stein, wie vermutet, die Grenze eines Fischlehens anzeigt, ist sehr wahrscheinlich. Denn bekanntlich war Kottingwörth ein altes Fischerdorf an der fisch- und krebsreichen Altmühl. Dieser mit heutigen Beständen überhaupt nicht mehr vergleichbare Reichtum ist durch historische Aufzeichnungen sehr gut belegt. So dürfte zum Beispiel der Name des Gasthofs „Zum Krebs“ in Kinding vom Krebsreichtum der Altmühl abzuleiten sein.

In Kottingwörth erinnern die gebräuchlichen Hausnamen „Fischer“ und „Fischerkoarl“ an die beiden einstigen Fischlehen. Sie leben heutzutage in den einzelnen „Fischwassern“ der Region weiter, wenn auch deren Ausmaße oft nicht mehr mit den einstigen Lehensbereichen übereinstimmen.

So schreibt der für das Fürstbistum Eichstätt sehr bedeutende Regionalhistoriker Felix Mader:

„Außer dem landwirtschaftlichen Betrieb spielt in unserem Gebiet die Fischerei eine beträchtliche Rolle. Der Reichtum der Altmühl an Fischen und Krebsen wird schon in Ermanrichs Lebensbeschreibung des hl. Sola (um 840) hervorgehoben. […] Seit alter Zeit bestanden in Kottingwörth zwei bischöfliche Fischlehen. […] 1447 werden Hans Fischer und Kunz Fischer genannt. […] 1518 erscheinen als Inhaber der Fischgüter Kunz Fischer und Michael Lang, 1572 Veit Lang und Hans Gogl. […] 1644 hatten Hans Lay und Hans Windisch Fischgüter, ein drittes bewirtschaftete der Beilngrieser Bürger Hans Apl als Vormünder des Besingertöchterleins. 1741 wird nur Veit Merkl als Fischer genannt.“

Übrigens: Von der Familie Merkl (Hausname „Fischer“) sind die Besitzer des Hofes mit Fischlehen seit dem 30-jährigen Krieg bekannt!

Das alles spricht für einen Fischereigrenzstein, der einst die Fischlehen abgrenzte oder den Anspruch des Besitzers der Lehen, das war der Eichstätter Fürstbischof, anzeigte.

Deshalb vermutet Professor Tyrakowski, dass der Zackenfries auf dem Stein dem sog. „fränkischen Rechen“ entspricht, der unverkennbar das Wappen Frankens symbolisiert – wie das weiß-blaue Rautenmuster Altbayern, inzwischen Gesamtbayern: “Schließlich war Eichstätt ein Teil Frankens“.

Damit wäre eine der Fragen beantwortet.

steinsaeule_4_20220509_1166891516.jpgSchaut man beim Giebel unserer Steinsäuleganz genau hin, fällt etwas auf, was noch nicht angesprochen wurde, weil man es leicht übersehen kann: Oberhalb der Nische ist eindeutig eine rechteckige vertiefte Fläche ausgespart, die auch gut auf den Fotos zu erkennen ist. Hier war entweder eine Inschrift eingearbeitet oder ein Schild befestigt, wie auch Tyrakowski vermutet. Näheres war darüber bisher nicht in Erfahrung zu bringen.

Nun zum Fischrelief auf dem Säulenschaft mit angeblich nur einem Fisch:

Ganz offensichtlich ist im „Kescher“ neben dem einen klar erkennbaren Fisch darunter noch reichlich Platz. Trotz der starken Verwitterung sind einige deutliche Formenreste zu erkennen! Andreas Ach spricht in der Dorfchronik von „zwei eingemeißelten Fischen“! J. B. Müller will zwei Fische erkennen, die „beide in gleiche Richtung zeigen“.  Und Professor Tyrakowski hält sogar unter dem Fisch die Darstellung eines steinsaeule_3_20220509_1849688085.jpgKrebses für möglich. Am wahrscheinlichsten ist wohl die Version mit den zwei Fischen, da Andreas Ach bestimmt ältere Dorfbewohner befragt hat, die das Relief mit einer viel geringeren Verwitterung in Erinnerung hatten.

Weiter zur Ausstattung der Nische, die heute ein metallenes Vitusrelief mit Textenthält. Seit wann?

Ein DONAUKURIER-Artikel von  1989 gibt darüber Auskunft: Dr. Georg Dauer aus Kelheim hat die Metalltafel mit der Abbildung und der Inschrift „Aus den Lebensqualen uns geleit durch deine Fürbitt, heiliger Veit“ damals gestiftet, und zwar laut Artikel „im Andenken an seine zahlreichen Ahnen, die den Vornamen Veit oder Vitus trugen“. Sie wurde vom damaligen Pfarrer Ferdinand Albrecht 1989 geweiht. (Herr Dr. Dauer hat übrigens auch die Nikolausfigur in der Nische des Marterls an der Staatsstraße bei Leising gestiftet).

Ein Bezug zum eigentlichen Zweck der Säule, Markierung von Fischrechten bzw. einer Fischereigrenze, ist mit St. Vitus nicht erkennbar. In dem Artikel wird auch gesagt, dass „die Nische bereits in früheren Zeiten ein Votivbild beherbergte“. Welches, das bleibt leider im Dunkeln. Aber in der Dorfchronik hat Andreas Ach an einer Stelle vermerkt: „In einem späteren Jahrhundert, vermutlich um 1600, wurde die Mariensäule an der Altmühlbrücke in Kottingwörth aufgestellt“. Demnach wäre früher ein Marienbild oder eine Marienfigur in der Nische zu sehen gewesen, welches bzw. welche ebenfalls einen direkten Bezug zur Fischerei vermissen lässt. Warum es/sie entfernt wurde oder verloren gegangen ist, darüber ist nichts steinsaeule 6 20220509 1162927058vermerkt. Auf die Zeitangabe „um 1600“werden wir später noch zu sprechen kommen.

Andreas Ach geht in der Chronik auch auf den früheren Standort ein: „[...] eine gotische Steinsäule mit einer Nische und zwei eingemeißelten Fischen zur Zeit der alten Brücke auf der Dorfseite.“ Die drei auf einer Seite angeordneten Fotos, die den Abriss der alten steinernen Brücke und den Neubau der ersten Betonbrücke Ende der 1920er Jahre zeigen, beweisen die Richtigkeit dieser Aussage. Auf dem Foto aus den 50er Jahren ist die Steinsäule schon an der jetzigen Stelle zu sehen, die Kapelle jedoch noch auf der Dorfseite der Brückenauffahrt.

Jetzt gehen wir auf die Ausführungen von J. B. Müller näher ein. Sie stammen wohl aus den späten 1960er Jahren. Er kann uns dabei helfen, die beiden ersten Fragen wenigstens annähernd zu beantworten, nämlich die Fragen nach der Aufstellungszeit und nach demGrund bzw. Zweckdafür.

Bisher sind wir auf verschiedene Zeitangaben gestoßen: „1494“, „um 1600“, im DK-Artikel „aus dem 14. Jahrhundert“.Da sind jeweils mindestens 100 Jahre dazwischen! Was stimmt?

Müller veranschlagt das Jahr 1311, also das 14. Jahrhundert. Wie kommt er darauf?

Auf Letzteres schließt er wegen der spitzbogigen Nische im Säulenkopf: „Da dieses Rechtsmal gotische Gestaltungsformen aufweist, kann die Steinsetzung an den Anfang des 14. Jahrhunderts datiert werden“. Das ist einigermaßen nachvollziehbar.

Wie kommt er dann auf 1311? Dabei stützt er sich auf eine „Urkunde von Kaiser Heinrich VII.“ (1311 eigentlich nur König), der damals, im italienischen Brescia im Heerlager weilend, laut Müller dem Eichstätter Bischof Philipp „das Dorf Zell bei Dietfurt und auch zwei Fischgerechtigkeiten bei Kottingwörthvermacht haben soll. Diese Urkunde findet sich im ältesten Kopialbuch des Eichstätter Hochstifts auf Seite 633. W. Füßlein hat es 1907 veröffentlicht, wie Müller in einer Fußnote angibt. Diesen Sammelband von Urkundenkopien kann man nun tatsächlich im Internet einsehen – und schon gibt es ein Problem: J. B. Müller hat offensichtlich falsch aus der Urkunde zitiert!

Denn darin heißt es in lateinischer Sprachedie Fischwasser betreffend: „duas piscarias sitas apud Creglingen in fluvio, qui vulgariter Altmul nuncupatur“. (Übersetzt etwa: „zwei Fischwasserbei Grögling im Fluss, der allgemein Altmühl genannt wird“)

Also Grögling, nicht Kottingwörth! Dem Bischof von Eichstätt gehörten die Gröglinger Fischwasser ja auch gar nicht, sondern dem Kloster Plankstetten. Die Jahresangabe 1311 kann mit dieser Urkunde also schwerlich begründet werden. Dass der Eichstätter Bischof im Mittelalter in Kottingwörth zwei Fischwasser besaß, ist aber unstrittig.

Interessant ist in diesem Zusammenhang Müllers Verweis auf den Fischwasser-Streit von 1306 zwischen dem Kloster Plankstetten und dem Eichstätter Bischof. Das Kloster besaß bei Grögling seit 1301 vier davon. Die Fischwasser bei Leising gehörten nach Müller den Schenken von Töging. Erst 1584 kamen sie an das Hochstift. Jetzt kann man sich – wie Müller - gut vorstellen, dass der Bischof bei oder nach den Streitigkeiten seine Besitzrechte an den Kottingwörther Fischwassern mit so einem aufwendig gestalteten Stein für jedermann sichtbar betontoder die Grenze gekennzeichnet hat.

Damit wäre unser Fischmarterl also gut 700 Jahre alt! Wie Andreas Ach auf „um 1600“ kommt, begründet er nicht. Bei der Angabe „1494“ könnte womöglich eine Verwechslung mit dem Marterl im Garten der Familie Hetzel unmittelbar an der Dietfurter Straße vorliegen, auf dem die Jahresangabe 1494 eindeutig zu lesen ist. Es weist durchaus einige Ähnlichkeiten mit unserer Brückensäule auf und wird unter anderem auch von einem Fisch geziert!

Endgültig klären lassen sich diese Fragen im Moment nicht. Auf jeden Fall haben wir einen einmaligen steinernen Zeugen mitten in unseremDorf stehen, der viele Jahrhunderte überdauert hat und alte Rechtsansprüche auf ehemalige örtliche Fischereirechte in der Altmühl auf eindrucksvolle Weise dokumentiert. Tag für Tag erinnert er uns daran, was in alten Ortsauflistungen festgehalten ist: Kottingwörth war ein sog. Fischerdorf.

Josef Wittmann im April/Mai 2022