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Was hat Kottingwörth, was andere vergleichbare Ortschaften in der Region nicht haben? Was stellt neben unserer imposanten Pfarrkirche mit ihrer Doppelturmfassade und Vituskapelle zusätzlich ein markantes Alleinstellungsmerkmal für unser Dorf dar?

Bei einigem Nachdenken kommen einem da vor allem die Hochwasserstege am Straßenrand in den Sinn.

 

 

Fotos

 

Im Band 4 der „Schriftenreihe des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege“ (2013) heißt es zum Thema „Hochwassersteg“ unter anderem:

„Hochwasserstege verlaufen in der Regel neben den talquerenden Gemeindestraßen, die beiderseits des Tals am Talhang oder Hangfuß gelegene Ortschaften verbinden.“

hochwasserstege 7 20220331 1425177713Bei uns werden keine Ortschaften verbunden: Die Stege verlaufen mitten im Talgrund Richtung Dorfzentrum auf der „Wörth“, d. h. auf der ehemaligen Flussinsel. Sie bieten bei einem großen Hochwasser Fußgängern die Möglichkeit, das Dorf trockenen Fußes zu verlassen und wieder zu erreichen. Der mittlere der drei Wasserstege überspannt einen Hochwasserabfluss der Altmühl unmittelbar neben der Brücke. Das letzte Mal erfüllten sie ihre Funktion im Januar 2011.

Das Besondere an unserem Dorf ist, dass der alte Ortskern mitten im Überschwemmungsgebiet der Altmühl liegt – auch ein Alleinstellungsmerkmal. Eigentlich unklug! Warum nicht auf den hochwassersicheren Talhängen?

Man darf als Ursache die frühmittelalterlichen gefürchteten Raubzüge der Ungarn vermuten, die im 10. Jahrhundert von Regensburg her das Land plünderten und Menschen als Sklaven verschleppten. Auf der „Wörth“, also auf der „Insel“ mit teils sumpfigem Umland, war man vor den berüchtigt-gnadenlosen Reiterkriegern einfach viel besser geschützt.

 

hochwasserstege 8 20220331 2020234874In früheren Jahrhunderten traten die Überschwemmungen noch viel häufiger auf. Die  Dorfbewohner behalfen sich anfangs sicherlich vor allem mit hölzernen Notstegen. Seit jeher ist besonders Kottingwörth wegen seiner Tallage von Ausuferungen der Altmühl geplagt. Bis zu deren Regulierung  in den Jahren 1927/28 gab es fast jedes Jahr entweder ein Winter- oder Frühjahrshochwasser. Auch die noch viel schädlicheren Sommerhochwasser setzten vor allem den Landwirten wiederholt zu. Letztere Überflutungen bleiben seit der Regulierung weitgehend aus, aber im Winter und Frühjahr ist so alle 10 bis 15 Jahre mit einem großen Hochwasser nach wie vor zu rechnen – siehe Januar 2011.

Die ersten dauerhaften Wasserstege waren zunächst aus  Holz gefertigt, bevor dann viel später aufwändigere, widerstandsfähigere Stege aus Beton errichtet wurden.

Im oben angesprochenen Band 4 heißt es:„Hochwasserstege fanden sich einst in ganz Bayern.“ Bis heute erhalten geblieben seien aber nur noch wenige, auch an der Altmühl.

 

Seit wann gibt es die dauerhaften Stege in Kottingwörth?

Wieder hilft uns da ein Blick in die Dorfchronik weiter, die – phasenweise lückenhaft und im Ganzen ungeordnet - in einer Loseblattsammlung in mehreren Ordnern vorliegt. Auch ein Artikel im DONAUKURIER aus dem Jahr 1958 gibt einen konkreten Hinweis.

Die Chronik informiert an verschiedenen Stellen über die bei uns landläufig „Wasserstege“ genannten Behelfswege für Fußgänger. Alle drei Stege, zwei kurze und ein langer, verlaufen bzw. verliefen entlang der „Alten Salzstraße“. Der lange reicht – mit zwei Durchlässen – vom Paulus-Anwesen bis zum Standort der Altglas-Container. Der mittlere befindet sich dann nach der Brücke, unterbrochen von einer Durchfahrt zur Bootsanlegestelle. Der dritte am Dorfausgang verläuft bzw. verlief auch unmittelbar am Straßenrand entlang des Anwesens der Familie Neger. Von diesem ist seit Mitte Juni 2014 nichts mehr zu sehen. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen.

Was berichtet uns nun die Chronik?

Der früheste Hinweis bezieht sich auf den 30. August 1879. Wörtlich ist vermerkt: „Der Wassersteg zu den Hausnummern 20 und 21 ist einer Reparatur bedürftig, um bei allenfalls eintretendem Hochwasser die sonst üblichen Wege und Schlupfwinkel begehen zu können.“ Schaut man in einer Liste der alten Hausnummern nach, handelt es sich bei der Nummer 20 überraschenderweise um den Weigl-Hof neben dem Treffer-Stadl und bei der Nummer 21 um das im letzten Jahr abgerissene „Back“-Haus. Überraschend deswegen, weil da im 20. Jahrhundert kein Wassersteg mehr zu finden ist.

Im Jahr 1888 (4. Februar) beschloss dann der damalige Gemeinderat, einen Notsteg über die Straße zu errichten von Hs.Nr. 1 (Pfarrhof) zu Hs.Nr. 35 (Steinl).  Die nur geschotterte Dorfstraße lag damals noch viel tiefer und das Wasser konnte leicht ins Dorfzentrum vordringen.

Für den 10.04.1907 ist dann knapp vermerkt: „Hochwassersteg zw. Kottingwörth und Distriktstraße (= Beilngries-Dietfurt)“. Das wäre dann der lange Steg Richtung alten Bahnhof. Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen Gemeinderatsbeschluss für den Bau des Stegs. Denn errichtet wurde er von der Gemeinde erst 1910. An anderer Stelle ist kurz notiert: „11.07.1909: Hochwassersteg = 5700 M  4%iges Darlehen bei Bezirkssparkasse aufgenommen: in 20½ Jahren mit jährlich 200 M zurückzahlen“.

Ausführlichere weitere Chronikaufzeichnungen informieren zusätzlich: „Den ersten wirksamen Hochwassersteg errichtete die Gemeinde 1910 auf dem linken Altmühlufer. Er führt von der Hauptstraße (Ortsteil Bahnhof) zum Dorfrand bis Hs.Nr. 36 (Rieger). Erst 1957 wurde der 2. Hochwassersteg etwa 30 m lang rechts der Altmühl von der Brücke aus massiv gebaut. Allerdings bestand schon in den 12 Jahren vorher, also seit 1944, ein Holzsteg.“

Hier bestätigt sich die vorherige Aussage: zuerst aus Holz, später aus Beton.

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hochwasserstege_2_20220331_1159790617.jpgWarum gerade 1910 der erste „wirksame“ Steg errichtet wurde, wird nicht näher erläutert. Wenn man aber berücksichtigt, dass 1909 ein sog. „Jahrtausendhochwasser“ war, das ganz Mitteleuropa und damit auch das Altmühltal betraf, so wird der Stegebau im Folgejahr, d. h. die umgehende Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses, mehr als verständlich. Wochenlang hatte es geschneit, der Boden war gefroren. Dann begann es plötzlich zu regnen und der Schnee auf dem gefrorenen Untergrund zu schmelzen, was zur bisher schlimmsten bekannten Hochwasserkatastrophe der neueren Geschichte unter anderem in unserer Region führte. Das Internet ist voll davon mit Nachrichten und Fotos, zum Beispiel Nürnberg betreffend. In der Kottingwörther Chronik finden sich darüber leider keine näheren Aufzeichnungen.

Besonders groß war auch das Sommerhochwasser im Juli 1954. Von Beilngries bis Dietfurt glich das Tal einem riesigen See, so berichtet unsere Chronik. Kottingwörth war wieder einmal eine „Wörth“, eine Insel. Das Heu lag teilweise noch und wurde fortgeschwemmt. Die Landwirte mussten sich auf die Grummeternte vertrösten. Doch die Getreide- und Kartoffeläcker brachten einen Totalschaden. Eine Wasserstandsmeldung besagte: 2,50 m über normal.-  Die Nachricht vom „Totalschaden“ hat sich bis nach Baden-Württemberg verbreitet, denn von dort kam für die Kinder "im Bayerischen Überschwemmungsgebiet“ ein namhafter Betrag, von dem die hiesigen Schulkinder 220.- DM  erhielten.

hochwasserstege_4_20220331_1355854323.jpgWie oben schon gesagt wurde erst 1957 der zweite Hochwassersteg, etwa 30 m lang rechts der Altmühl, von der Brücke aus massiv gebaut. Allerdings bestand schon in den 12 Jahren vorher, also seit 1944, ein Holzsteg.

Zum Jahr 1957 liefert ein DONAUKURIER-Artikel vom 17. April 1958 nähere Informationen, sogar mit einem Foto. Der DK-Text besagt, dass damals die zwei kurzen Stege aus Beton gebaut worden sind: „Die Erneuerung der alten und baufälligen Holzstege war längst fällig, und auch der Kreis hat dies bei der Gewährung eines Zuschusses von 1000 DM eingesehen. Unser Bild zeigt einen der beiden Teile des neuen Hochwassersteges, der im vergangenen Jahr gebaut wurde (Gesamtkosten rund 9000 DM)“. Die Gemeinde hat also für die Erneuerung der beiden kurzen Wasserstege etwa 8000 DM berappen müssen, weil das Tiefbaureferat der Regierung der Oberpfalz eine Bezuschussung verweigert hat, wie es im Zeitungstext an anderer Stelle heißt.

 

Damit bestanden also 1957 alle drei Hochwasserstege aus Beton, der lange schon seit 1910. Der auf dem Zeitungsfoto abgebildete Betonsteg am Neger-Anwesen wurde im Juni 2014, im Zuge der Erneuerung der Hochwasserstege, abgerissen und nicht mehr mit Betonelementen aufgebaut. Damit sind wir im 21. Jahrhundert angekommen.

Inzwischen zeigen die Wasserstege ja ein völlig anderes Gesicht. Wie ist es dazu gekommen?

Bereits in den 90er Jahren wurde über eine Sanierung der teilweise maroden Flutstege diskutiert. 1998 und 2000 hat Brigitte Frauenknecht, unsere damalige Ortssprecherin und Stadträtin, entsprechende Anträge gestellt, die jedoch immer an den hohen Kosten gescheitert sind. Wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck des großen Hochwassers von 2011 ist 2014 die Sanierung endlich in das Hochwasserschutz-Förderprogramm des Freistaats Bayern aufgenommen worden, wie Frauenknecht dann als Bürgermeisterin bei der Ortsversammlung am 2. April 2014 erleichtert mitteilen konnte. Die Kostenberechnung belief sich auf 315000 Euro. Für die Gemeinde entstanden keinerlei finanziellen Belastungen.

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Die Bürgermeisterin teilte auch mit, dass der lange Steg Richtung Kirche kein Geländer mehr erhalte, da er im Normalfall nicht begangen werden solle. Bei Hochwasser werde aus Sicherheitsgründen ein beidseitiges Geländer aus Metall mit durchgängig drei Querstangen, die im unteren Bereich ein Durchrutschen von Kindern verhindern sollen, montiert. Bleiben sollen die beiden vorhandenen Durchgänge zu den Wiesen, bei Hochwasser würden sie mit mobilen Teilen aus Metall geschlossen.

Im Ernstfall werde auch künftig der Aufbau zusammen mit dem Bauhof bewerkstelligt. Nach Fertigstellung der Betonstege solle ein Komplettaufbau mit entsprechender Einweisung und Nummerierung der Metallbestandteile erfolgen.

 

 

In Abänderung der ursprünglichen Planungen wird der Steg entlang des hochwasserstege_15_20220331_1310356873.jpgAnwesens der Familie Neger nicht mehr mit Betonelementen aufgebaut, sondern soll im Falle eines Hochwassers komplett aus mobilen Metallteilen bestehen. Somit ist dieser Betonsteg nach seinem Abbruch im Juni 2014 aus dem Dorfbild in Normalzeiten vollends verschwunden und durch einen Gehweg ersetzt worden. Am Kostenvolumen hat sich dadurch nichts geändert.

Im August sollten die beiden verbliebenen Betonstege fertiggestellt sein, aber der Abbruch und die Erneuerung erstreckten sich dann doch bis in den November hinein. Die passgenau vorgefertigten etwa 6 m langen, 1,02 m breiten und mittig 24 cm hohen Elemente wurden mit Hilfe eines Autokrans einzeln auf die neuen bzw. erneuerten Pfeiler aufgelegt und in deren dafür vorgesehenen Vertiefungen verankert.

 

 

 

 

Gut gerüstet - aber viel Arbeit für viele Helfer

Am 13. Dezember 2014 wurde abschließend unter Federführung der Kottingwörther Freiwilligen Feuerwehr zusammen mit Bauhofmitarbeitern der Komplettaufbau der drei Wasserstege geübt. Dabei zeigte sich, dass der diffizile Aufbau aller mobilen Stege und Geländer auf jeden Fall einen kompletten Arbeitstag beansprucht, immer vorausgesetzt, dass genügend tatkräftige Helfer vor Ort sind. Manch einer sprach an diesem Tag von einer „Materialschlacht“.

hochwasserstege 28 20220331 1548656114Feuerwehrkommandant Martin Beckenbauer meinte: „Angesichts der kleinteiligen Konstruktion ist das Ganze sehr arbeitsaufwendig. Im Ernstfall müssen Bauhof und Dorfgemeinschaft auf jeden Fall mit genügend Kräften frühzeitig anfangen, um dem Hochwasser zuvorzukommen.“ Bei den alten Stegen mussten nur die Durchfahrten überbrückt und die Auf- bzw. Abstiegsrampen angebracht werden. Einseitige Geländer waren ja immer vorhanden.

Gelagert werden die vielen Einzelteile für die Geländer und mobilen Stegbereiche witterungsgeschützt auf handlichen Paletten in einer örtlichen Bauhofhalle.

Im eingangs schon zitierten Band 4 der „Schriftenreihe des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege“ werden Hochwasserstege sinngemäß als „aus der Not geborene eindrucksvolle Kulturlandschaftselemente“ bezeichnet, die auf Eigeninitiative der Ortsbewohner geschaffen worden sind. Im Notfall haben die Flutstege den Kottingwörtherinnen und Kottingwörthern stets gute Dienste erwiesen. 

Fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch hat vor allem der lange Steg auch unser Ortsbild entscheidend mitgeprägt. Fußgänger, Radfahrer wie auch motorisierte Verkehrsteilnehmer begleitet er in das Dorf hinein oder heraus. Besonders dieser lange Wassersteg gehört somit einfach zu Kottingwörth dazu - wenn er zugegebenermaßen auch nicht mehr den Charme des alten Stegs hat.

Aktuelle Ergänzung:

Am 8. April 2022 erschien auf der Website der renommierten Wissenschaftszeitschrift „bild der wisschenschaft" unter dem Titel „Feldbäche senken Nitratbelastung im Grundwasser“

ein interessanter Artikel über eine neu entdeckte ökologische Bedeutung auch unserer Flutgräben.

Der Link lautet:

https://www.wissenschaft.de/erde-umwelt/feldbaeche-senken-nitratbelastung-im-grundwasser/

 Josef Wittmann im März 2022