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   „An dieser Stelle

   stand eine Kapelle

    jetzt steht dafür

 dieses Kreuz nun hier“

 

 

Fotos

 

Ein weißes Schild mit diesem Text in schwarzen Buchstaben ist für jedermann gut sichtbar am Sockel eines Steinkreuzes angebracht. Es steht am Rand der Alten Salzstraße Richtung Amtmannsdorf rechts kurz vor dem Ortsende. Der alte Kastanienbaum breitet seit vielen Jahrzehnten schützend seine Äste über dem typisch christlichen Denkmal am Straßenrand aus.

steinkreuz 3 20220309 1931480815Auch über sie gibt es interessante Geschichten zu erzählen.

Bereits unzählige Male sind wir  bergauf und bergab daran vorbeigefahren. Wer hat sich dem Kreuz schon einmal bewusst zu Fuß genähert und den interessanten Text darauf gelesen? Dieser will ja vor allem die Dorfbewohner darüber informieren, dass hier statt des Steinkreuzes einst eine Kapelle gestanden hat.

  • Was weiß man noch über diese Kapelle? Wer hat sie errichten lassen?
  • Wann wurde sie durch das Steinkreuz ersetzt?
  • Wer hat dieses errichten lassen? Wer hat es angefertigt?

 

Beim Blick in die Ortschronik kann man tatsächlich an einzelnen verstreuten Stellen fündig werden. Bezüge ergeben sich dabei überraschenderweise zur Kottingwörthermühle und indirekt sogar zu unserer Pfarrkirche.
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Aber die letzte der oben gestellten Fragen beantwortet das Kreuz selbst: Auf der Rückseite des Sockels ist nämlich ein weiteres, kleines, Schild angebracht, das über den Hersteller informiert: Es war demnach der Steinmetzmeister und Bildhauer Richard Wagner aus Neumarkt. Sogar die Straße und seine Telefonnummer sind vermerkt.

Die Dorfchronik wiederum informiert über den Auftraggeber und nennt als solchen den Kottingwörther Bürger Erhard Schuster, Hausnummer 23. Die Kapelle – damals noch eine Feldkapelle –sei wegen ihres fortgeschrittenen Verfalls abgerissen worden. Aber wann?

Weiterhelfen konnte da Anna Schuster, die inzwischen hochbetagte Ehefrau des Steinkreuzstifters. Sie kann sich noch sehr gut daran erinnern, dass der Kapellenabriss mit nachfolgender Aufstellung des Kreuzes im Zuge des Ausbaus der Straße nach Amtmannsdorf erfolgt sei. Laut Chronik fand dieser Straßenausbau 1964 statt. Nach Aussage von Anna Schuster hatte bis zu diesem Jahr neben dem Kastanienbaum eine Marienkapelle ihren Standort.

„Sie hat mir das Leben gerettet!“ Mit dieser emotionalen Erinnerung überraschte sie den erstaunten Fragesteller, der jetzt natürlich Genaueres wissen wollte. So erzählte sie, dass sie kurz vor Kriegsende 1945 bei Feldarbeiten ins Visier eines Tieffliegers geraten sei. Ein „Herr Hetzel von der Mühle“, der bereits Schutz unter dem Kastanienbaum mit seinen damals tief herunterhängenden Ästen und hinter der Kapelle gesucht hatte, habe ihr zugerufen zu ihm zu flüchten, was sie auch getan habe. Im Sichtschutz des Geästs und Laubwerks hätten nun beide mehrmals die Kapelle umrundet, um den Blicken des sie suchenden Piloten im kreisenden Flugzeug zu entgehen. Dieser habe schließlich aufgegeben.

Wer wollte bei einer solchen Jagd nach Zivilpersonen nicht an den derzeitigen schrecklichen, menschenverachtenden Krieg in der Ukraine denken!

An anderer Stelle ist in der Chronik vermerkt, dass die Feldkapelle 1862 von der Familie Benz gestiftet worden sei und dass an diesem Platz vorher schon eine Kapelle gestanden habe. Über Letztere ist nichts mehr bekannt.

Erhard Schuster (1929 – 2017) war zu seinen Lebzeiten allen Dorfbewohnern bestens bekannt und die Älteren haben ihn sicher noch in guter Erinnerung. Aber wer war die Familie Benz? Nachforschungen bringen einige interessante Details ans Tageslicht:

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Die Familie Benz besaß Mitte des 19. Jahrhunderts die Kottingwörthermühle, bevor diese laut Chronik über eine Familie Lux 1888 in den Besitz der Familie Regnath kam.

Nun ist auch noch der angesprochene indirekte Bezug zu unserer Pfarrkirche zu klären. Dieser ergibt sich nämlich über den Namen „Benz“.

Dabei ist auf das Jahr 1868 zu verweisen. In diesem Jahr kam ja bekanntlich unser großartiger Vitusaltar in die Hauskapelle des Eichtstätter Bischofpalais. Sollte jemand diese denkwürdige Jahreszahl vergessen haben, dann kann er/sie sich in unserer Kirche mit einem „Spickzettel“ behelfen: Die Familie Benz hat nämlich in diesem Jahr 1868 den geschlossenen Betstuhl gleich rechts vom Eingang, am Ende der rechten Knie-/Sitzbankreihe, für sich aufstellen und darauf ihren Familiennamen und die Jahreszahl 1868 einschnitzen lassen. Und zwar zweimal: links „Benz 1868“ und rechts „Zur Mühle 1868“. Man muss nur hinschauen! Jetzt ist auch klar, was der Name „Benz“ auf dem Betstuhl  bedeutet.

steinkreuz_9_20220309_2093101404.jpgUnd weil wir schon dabei sind, soll hier die Familie Benz ein drittes Mal Erwähnung finden: Sie wurde nämlich laut Chronik in Kottingwörth in erstaunlich wohltätiger Weise tätig, indem sie eine gemeindliche Stiftung gründete, um junge Familien finanziell zu fördern. In der Chronik heißt es in einer tabellarischen Ereignisabfolge: „1884 Benz`sche Aussteuerversicherung (1900 Vermögen: 5000.- M)“. Und an anderer Stelle: „Bis zur Inflation 1923 erhielt jedes neugetraute Ehepaar einen Geldbetrag.“ Später wurde dann noch handschriftlich hinzugefügt: „Die letzte Auszahlung erhielten Johann und Thekla Meyer, Hausnummer 5“.

Wir sind jetzt von unserem Steinkreuz und der ehemaligen Kapelle am Straßenrand doch ein wenig abgeschweift. Aber man sollte nicht nur über die steinernen historischen Zeugen im und um das Dorf etwas Bescheid wissen, sondern auch über die verdienstvollen Menschen, die direkt mit ihnen verbunden sind.                                              

Josef Wittmann im März 2022