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joomplu:5647Kottingwörther Maibaum-Geschichten

Fotos aus der Vergangenheit

Kein Maibaum im Jahr 2020 - deshalb wenigstens ein Rückblick in Wort und Bild auf unserer Homepage 

 

Heuer wird nach langer Zeit in Kottingwörth am 30. April kein Maibaum aufgestellt. Die Corona-Krise verhindert das uralte Brauchtum, das sich bis ins Hochmittelalter zurückverfolgen lässt, so urteilt Alfons Schweiggert im Buch „Der Maibaum“, wobei er sich auf den Aachener Maibaumstreit von 1225 bezieht. Damals nahm der Pfarrer derart Anstoß am für ihn eindeutig heidnischen Brauch, sodass er den Baum kurzerhand mit einer Axt fällte. Auch Kottingwörth hatte Anfang der 50er Jahre seine Maibaumaffäre - mit dem Dorfpfarrer in einer Hauptrolle.

 

Der 1. Mai in Kottingwörth vor dem II. Weltkrieg

Bis ins Mittelalter ist der Brauch im Dorf an der Altmühl bei Weitem nicht nachweisbar, aber immerhin beweisen alte Fotos, dass zum Beispiel in den 1920er Jahren und konkret 1936 um den aufgestellten Baum herumgetanzt wurde. Auch die Erzählungen von der „Moierin“ und vom „Moier“ sind bei den Älteren durchaus noch lebendig – und eben die fast bühnenreife Maibaumaffäre im Jahr 1953.

Einiges aus dieser Zeit ist geblieben, anderes hat sich verändert. Nach wie vor wird der nicht entrindete Baum in Kottingwörth - mit drei Kränzen aus Fichtenzweigen geschmückt - mit männlicher Muskelkraft aufgestellt, und zwar unter Zuhilfenahme sogenannter „Goaßen“. Das sind grob gesagt mehrere Stangenpaare unterschiedlicher Länge, die jeweils an einem Ende etwa im Abstand des Stammdurchmessers zusammengebunden sind. Dann hören die Gemeinsamkeiten aber fast schon auf. Schon der Standort hat sich geändert: Statt im „Oberdorf“ gegenüber dem Treffer-Stadl, wo sich heute die Kanalisationspumpe befindet, hat der Maibaum seit den 1950er Jahren seinen Standort im „Unterdorf“ gegenüber dem Gasthaus zur Sonne. Früher fehlten die jetzt nach dem Aufstellen angebrachten metallenen Zunfttafeln. Geschmückt und aufgestellt wird der Baum nach wie vor am späteren Nachmittag des 30. April. Aber der 1. Mai wird nicht mehr wie vor dem II. Weltkrieg groß gefeiert und es gibt auch keine „Moierin“ und keinen „Moier“ mehr. Heute ist nur noch ein geselliges Treffen der Maibaumaufsteller im Wirtshaus üblich. Dort wird eine vom Kulturverein gestiftete deftige Brotzeit verzehrt und der Abend in geselliger Runde mit Musik und Gesang verbracht.

„Der 1. Mai war einst ein Freudentag für das ganze Dorf“, erinnerte sich die einstige „Moierin“ Theresia Deyerler, später Götz, an ihre Jugendjahre. „Moier“ und  „Moierin“ unter den jungen Burschen und Mädels seien die beiden geworden, die für das Fest – bei einer Sammlung auf einer geheimen Liste vermerkt - am meisten Geld gespendet hatten. Damit und mit dem Erlös aus der Versteigerung oder dem Verkauf des alten umgelegten Baumes war für das nötige Freibier gesorgt. Der „Moier“ und die „Moierin“ standen am 1. Mai während des ganzen Tages im Mittelpunkt. Nach dem Mittagessen, so gegen 14 Uhr, zog der „Moier“ in Begleitung der Burschen des Dorfes und zweier Musikanten  zum Elternhaus der „Moierin“ und zu den Wohnungen der anderen Mädchen. Sie hatten volle Maßkrüge dabei und jeder ließ seine Begleiterin daraus trinken. Nach der Abholung marschierten Jung und Alt in einem Festzug durch das Dorf und schließlich zum „Moierbigl“ gegenüber dem Treffer-Stadl, wo in den 30er Jahren nach einer politischen Rede, schließlich lebte man in Hitlers 3. Reich, der „Moier“ und die „Moierin“ den Tanz um den Maibaum mit einem Walzer eröffnen durften.  Gemeinsam feierten die Dorfbewohner bis in die Abendstunden. Für die Kinder wurden Spiele organisiert, z. B. Wurst- und Brezelnschnappen. Mit Blumen bekränzte Schulmädchen trugen bei der Feier Frühlingsgedichte vor, die der Dorflehrer ausgesucht hatte. Eines darf man bei alledem nicht übersehen: Der 1. Mai war in den 30er Jahren von den Nazis zum „Volksfeiertag“ ausgerufen worden, das Brauchtum wurde zu einem Propagandainstrument umfunktioniert, unter anderem durch Hakenkreuzfahnen am Maibaum, wie Schweiggert berichtet. Das alles war wohl mit ein Grund, dass der „Moier“ und die „Moierin“ nach dem Krieg in Kottingwörth ausgestorben sind.

Hier endete der Festtag seit alters her bei zünftiger Musik im Tanzsaal beim „Maurerwirt“, dem heutigen Gasthaus zur Sonne, wo die Erwachsenen bis nach Mitternacht das Tanzbein schwangen. So manche Liebschaften wurden dabei angebandelt, aber immer wieder kam es auch zu einer heftigen Rauferei, wie man sich schmunzelnd erinnert. Während des Krieges wurde kein Maibaum aufgestellt, erst wieder in den 50er Jahren, aber seither ohne „Moier“ und „Moierin“.   

Die Maibaumaffäre von 1953

Zum Brauchtum gehörte damals auch das Stehlen eines Baumes durch die Dorfburschen, wenn keiner gespendet worden war.  Schon Tage davor suchten sie im Wald einen passenden aus. In dunkler Nacht wurde eine stattliche Fichte von etwa 30 Meter Länge dann von 10 bis 15 Mann in einer nicht ungefährlichen Aktion gefällt und „heimlich“ an einen möglichst sicheren, versteckten Ort transportiert. Die anfangs noch mit Eisenreifen beschlagenen Wagenräder umwickelte man mit Säcken, damit bei der Fahrt auf den geschotterten Wegen und Dorfstraßen möglichst wenig Geräusche verursacht wurden. Oberstes Gebot: Nicht erwischen lassen!

1953 ist es aber geschehen, es gab einen bis heute unbekannten „Verräter“. Eine Anzeige war bei der Polizei eingegangen. Der „Kläger“ wollte anonym bleiben und blieb es auch. An ihren Stimmen sollen Beteiligte des Nachts erkannt worden sein, wenigstens drei von ihnen, so behaupteten jedenfalls die vernehmenden Polizisten. Schließlich kam es zu vier Anzeigen und beim Amtsgericht in Beilngries wurde ein Verhandlungstermin anberaumt. Vor dem Richter stand auch eine Bäuerin, die den Burschen den Wagen für den Transport des Baumes ausgeliehen hatte.

Der war aus dem Pfarrholz „gestohlen“ worden, die Anzeige ging also letztlich vom Dorfpfarrer aus. Da griff der damalige 1. Vorstand des FSV Kottingwörth, Alois Legl, vermittelnd ein, um das Schlimmste zu verhindern. Er suchte mit ca. vier der Betroffenen den damaligen Pfarrer Andreas Mayer auf, um die Sache gütlich zu regeln. Dieser hatte die Pfarrei erst 1950 übernommen und wenig Verständnis für das auf Brauchtum begründete Fehlverhalten. Er hielt den „Tätern“ entgegen, dass sie doch vorher hätten fragen können, ob sie einen Baum bekommen. Und außerdem: „Ein bisschen Strafe schadet nicht.“ Dieser Satz klang den Betroffenen jahrzehntelang in den Ohren und wurde bei Gesprächen über dieses Thema immer mit Empörung zitiert.

Denn das Strafmaß für drei Burschen und die Bäuerin war „ein bisschen“ sehr hoch: 660 DM hatten sie insgesamt zu berappen! Bei den damaligen Einkommensverhältnissen eine ganz erhebliche Summe. Allerdings boten die beteiligten Dorfburschen daraufhin ein Musterbeispiel an Zusammenhalt und Solidarität. Sie ließen die vier nicht hängen, sondern teilten die Summe durch 12, sodass jeder „nur“ einen Betrag von 55 DM abzustottern hatte. Übrigens zahlten auch einige 13- bzw. 14-jährige Lehrlinge getreulich ihren Anteil. Sie waren nicht vor Gericht zitiert worden, weil sie noch nicht strafmündig waren.

Auf den Dorfpfarrer waren die jungen Leute daraufhin natürlich gar nicht gut zu sprechen, und das brachten sie eindrucksvoll und für jedermann sichtbar zum Ausdruck: Sie sägten nach dem Prozess den teuren Maibaum um und legten ihn in einer Nacht von Samstag auf Sonntag in den Pfarrhof. Für die zahlreichen sonntäglichen Kirchgänger setzten sie so ein überdeutliches Zeichen ihrer Missbilligung und ihres Unmuts über ihren gestrengen Pfarrer. So kann es sich ein Seelsorger mit seinen ihm anvertrauten Schäfchen auch verderben!

Den nächsten Maibaum hat dann ein Landwirt, der „Fischer Sepp“, gestiftet. Das wussten aber die meisten nicht. Die jungen Burschen stellten daher in der Nacht, als der Maibaum nur zum Schein illegal aus dem Wald geholt wurde, überall Posten auf, um des „Verräters“, der ja eventuell wieder unterwegs war, habhaft zu werden. Aber vergeblich.

Wie heuer gab es seither immer wieder auch Jahre, in denen kein Maibaum aufgestellt wurde, weil „nichts zusammengegangen ist“. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich der Brauch wieder fest im Dorf eingebürgert. 2020 wird deshalb lange in Erinnerung bleiben. Gestohlen wurde ein Maibaum seither nicht mehr. Entweder stifteten ihn die Rechtler, die Gemeinde, ein Privatmann mit Waldbesitz – oder auch der Pfarrer aus dem Pfarrholz.

Schwarz-Weiß-Fotos:

  • Erster Tanz vor dem Maibaum gegenüber dem Treffer-Stadl durch die „Moierin“ Theresia Deyerler und den „Moier“ Valentin Ingerling im Jahr 1936
  • Männer und Frauen in Tracht vor dem „Schreiner“-Haus am 1. Mai in den 20ern, in der Mitte der „Moier“ und die „Moierin“

Farbfotos:

  • Maibaumholen 2005
  • Aufgestellter Baum 2019
  • Siggi-Foto von 2003