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joomplu:5641Zeitvertreib mit der Dorfgeschichte

Fotos

Das Coronavirus hat so manchen in seinem hastigen beruflichen Alltagsbestreben abrupt ausgebremst, die meisten Rentner und Pensionäre wohl ausgenommen. Sie konnten sich ja zuvor schon ihre Termine nach Gusto einteilen – wenn sie ihren Ruhestand einigermaßen zu genießen wissen. Jetzt bleibt auch für viele Berufstätige Zeit übrig und der Frühjahrsputz in Haus und Garten erfolgt noch intensiver als gewohnt. Zuweilen werden da interessante Wiederentdeckungen gemacht.

Da hält man dann plötzlich Unterlagen in der Hand, die man früher aus Zeitmangel zum Beispiel in einem Ordner verschwinden hat lassen und die völlig in Vergessenheit geraten sind.

Jetzt hat so mancher einen Aha-Effekt und zugleich die Muse, sich endlich damit zu beschäftigen. In diesem Fall war es ein 12-seitiges Geheft über die Kottingwörther Geschichte, ein Sammelsurium von ganz unterschiedlichen Ereignissen, auch etwas kuriosen. Zusammengestellt hat die historische Informationssammlung 1959 der ehemalige Hauptlehrer Andreas Ach für die Kottingwörther Volksschule. Er hat sie mit „Heimatliche Stoff- und Beispielsammlung“ betitelt. Es geht hier nicht um die „großen“ geschichtsträchtigen Themen des Dorfes wie Urpfarrei, Pfarrkirche und Vituskapelle mit mittelalterlichen Fresken, Salzstraße mit Furt und späterer steinerner Brücke – alles bekannte und wiederholt beschriebene Themen.

Hier sind weniger gewichtige, deshalb auch weniger bekannte und vielleicht gerade deshalb um so interessantere Fakten aus der Vergangenheit zusammengestellt. Auf einige wenige soll in diesem Text eingegangen werden.

Der „Totensteig“

So liest man schon auf der ersten Seite vom heute nicht mehr gebräuchlichen Wegnamen „Totensteig“, welchen man eigentlich nur im Gebirge verortet. Als solcher wurde laut Ach 1959 der heute ziemlich verwilderte Waldweg oberhalb der Straße nach Amtmannsdorf bezeichnet. In der Frühzeit der Urpfarrei sollen hier die Toten aus den „Bergdörfern“, die zur Urpfarrei gehörten, heruntergefahren worden sein.

Ein/Kein Brunnen für den Lehrer

Ein Abschnitt beschäftigt sich am Beispiel des Schulhauses samt der Lehrerwohnung mit den Problemen der Trinkwasserversorgung bis in die 1950er Jahre. Es hat mehrere Versuche gegeben, trinkbares Grundwasser mit einem Schlagbrunnen anzuzapfen. Zunächst wird auf zwei Grundwasserschichten hingewiesen, wobei die zweite, tiefere unter einer Lehmschicht im Donaukies liege. Bekanntlich wurde das untere Altmühltal ja einst von der Urdonau geschaffen. Beim ersten Versuch im Jahr 1898, als das Schulhaus erbaut wurde, sei in der Hofecke links vom Stadel ein gemauerter Brunnen in die Tiefe getrieben worden, aber mit einer äußerst unappetitlichen Überraschung: Man stieß beim Graben auf Totengebein. Nebenan liegt schließlich der Friedhof. „Deshalb holte man das Wasser jahrzehntelang bei dem jetzt noch bestehenden Brunnen schräg gegenüber bei Schleer, jetzt Dedin“, so Achs Aufzeichnungen. Den zweiten Versuch veranlasste 1928 Lehrer Xaver Leistl. Ein Schlagbrunnen sollte die zweite Grundwasserschicht anzapfen. „Als aber etliche Stunden Bohrversuche erfolglos blieben, erklärte sich der Nachbar Schmal, jetzt Gierl, bereit, dass ein Saugrohr an Schmals schon bestehenden Brunnen angeschlossen werden kann“, heißt es weiter. Allerdings war auch das für den Dorflehrer eine heute ganz und gar unvorstellbare Zumutung, wenn man Folgendes lesen muss: „Bei Regen dringt das Hofwasser ein, teils mit Jauche vermischt, ja sogar Würmer kamen zuweilen aus dem Hahn.“ Da das Wasser bei einer Prüfung durch das staatliche Gesundheitsamt Beilngries beanstandet wurde, entschloss man sich 1951 zu einem weiteren Versuch, auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei der Einfahrt Gierl einen Schlagbrunnen zu bohren, und hatte auf Anhieb in 13 Meter Tiefe Glück. Praktischerweise konnte man sogar das alte Leitungsrohr verwenden. Allerdings sei der Eisengehalt des Wassers so hoch gewesen, dass es die 1959 gekaufte elektrische Pumpe zerstört hätte. Deshalb sei man „zur Zeit“ gezwungen, nämlich im Sommer 1959 zum Zeitpunkt der Abfassung des Textes, einen neuen Schlagbrunnen zu errichten. Der genaue Ort wird nicht genannt.

Wasserstege

Durch die Tallage kommt man in Kottingwörth im Allgemeinen leicht an Grundwasser, sie setzt Straßen und Gebäude aber wiederholt einem Hochwasser aus. Bei hohen Pegelständen wird das Dorf dann wieder zur „Wörth“, zu einer Insel. Deshalb wurde 1909 der Hochwassersteg vom Dorf zur Hauptstraße Richtung alten Bahnhof gebaut, wie Hauptlehrer Ach berichtet. Erst 1957 sei der Steg „von der Altmühlbrücke zum Dorfende gegen die Mühle zu“ mit Beton errichtet worden. Seit 1944 stand dort bereits ein Holzsteg zur Verfügung. Die Wasserstege sind bis heute ein typisches, ziemlich einmaliges Charakteristikum für das hochwassergefährdete Dorf im Altmühltal. Im Jahr 2014 wurden die stark verwitterten Stege erneuert, nachdem das große Hochwasser von 2011 bewiesen hatte, dass sie im Ernstfall nach wie vor unverzichtbar sind. 

Kartoffelkeller an den Hängen

Grundwasser und Hochwasser machten es in früheren Zeiten, vor den wasserdichten Betonkellern, wenig sinnvoll, ein Gebäude im Talgrund zu unterkellern. Deshalb finde man die Kartoffelkeller einiger Bauern seit jeher an den Berghängen der sogenannten Sommer- und Winterleite, konstatiert Andreas Ach und schreibt weiter: „Auch die beiden Wirte lagerten früher ihre Bierfässer in Kellern an der Winterleite.“ Die in den Berghang getriebenen Erdkeller garantierten auch in wärmeren Monaten die nötige Kühle.

Das Fischerdorf

Kottingwörth war eines der Fischerdörfer an der Altmühl. Deren Reichtum an Fischen und Flusskrebsen war weithin bekannt. Ach geht auch darauf ein: „Im Mittelalter bestanden in Kottingwörth, Leising und auch Grögling sogenannte Fischgüter, die nach Hirschberg oder Plankstetten zinspflichtig waren.“ In Kottingwörth gab es zwei. Die heute noch gebräuchlichen Hausnamen „Fischer“ und „Fischerkoarl“ erinnern daran. Bereits 1959 seien die Fischwasser an „auswärtige Sonntagsfischer, meist Neumarkter und Nürnberger, verpachtet“ gewesen. Zwei von ihnen haben sich laut Ach am Berghang gegen Paulushofen je eine Fischerhütte, ein Wochenendhaus, erbaut. Zumindest eines ist heute noch rechts über einem Erdkeller zu sehen, allerdings in schlechtem Zustand.

Im „Rosstümpel“ versunken: Bericht in einer Augsburger Zeitung!

Schon im Juli 2018 wurde in dieser Zeitung im Zusammenhang mit dem verlandenden Altmühlarm unterhalb der Brücke auf ein Unglück verwiesen, das hier, im früheren „Rosstümpel“, geschah. Ein junger Bursche aus Kirchbuch versank hier mit zwei Rössern samt Wagen im Altmühlsumpf. Ach spricht in seinem Geheft von einem „Opfer der Altmühl“ und nennt als Tag den 21. Mai 1862. Im Jahr 2018 war noch nicht bekannt, dass – überraschenderweise - das Unglück 1862 auch von der Neuen Augsburger Zeitung gemeldet wurde, wie eine Internetrecherche eher zufällig ergeben hat (siehe Abbildung). Auch das Stöbern im Internet kann manchmal durchaus ein sinnvoller Zeitvertreib sein und weiterhelfen. Zwar stimmen die Zeitangaben nicht ganz überein, aber aufgrund der Meldung in der Augsburger Zeitung ist der Eintrag, der sich auch in anderen Chronikaufzeichnungen findet, umso glaubwürdiger, zumal am nahegelegenen Wohnhaus Alte Salzstraße 25 ein Marterl an das Unglück erinnert.

Damit ist die „Heimatliche Stoff- und Beispielsammlung“ von Hauptlehrer Andreas Ach natürlich bei weitem nicht ausgeschöpft. Sie bietet noch so manche Informationen oder Geschichten zur Kottingwörther Vergangenheit, die vielen Ortsbewohnern wenig oder überhaupt nicht bekannt sind. Ihre Lektüre ist für historisch Interessierte ein überaus aufschlussreicher, in Teilen sogar kurzweiliger Zeitvertreib.  

Fotos:

 

  • heutiger Erdkeller mit Wochenendhaus auf dem Berglhang der Winterleite,

ehemals im Besitz des Neumarkter „Sonntagsfischers“ Herrn Fleischmann

  • „Sonntagsfischer“ auf der Altmühlbrücke mit notdürftig repariertem Bereich im Vordergrund nach der Brückensprengung kurz vor Ende des II. Weltkriegs
  • Damals gar nicht seltener erfolgreicher Fischfang durch „Sonntagsfischer“ Herrn Fleischmann aus Neumarkt (Vorname unbekannt), hier mit zwei prachtvollen Hechten
  • Text in Normalschrift in der Neuen Augsburger Zeitung Nr. 161 vom 13. Juni 1862 in der Rubrik „Nichtpolitisches“ :

 

Kottingwörth, 10. Juni. Am 27. Mai ertrank samt zwei schönen, jungen Pferden der 19-jährige Bauerssohn Nicolaus Mandlinger von Kirchbuch, da er nächst der Altmühlbrücke zu Kottingwörth, Ldg. Beilngries, von einer Sandbank aus Unvorsichtigkeit in eine jähe Wassertiefe hineinfuhr, vor welcher er wohl rechtzeitig gewarnt worden war. Besondere Umstände fügten es, dass ihm, obwohl in der Nähe der Wohnungen und am Nachmittage, nicht die nötige Hilfe geleistet werden konnte. -