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Heckrinder sind besondere Tiere

Fotos

Mit ihren auffallend langen, nach vorne geschwungenen Hörnern mustern die fünf Rinder den am Zaun entlanggehenden  Spaziergänger neugierig. Auf den ersten Blick wird deutlich, dass es sich um eine besondere Rasse handeln muss. Neben den Hörnern fällt vor allem die etwas hellere Lockenpracht auf der Stirn der imposanten Tiere mit ihrem rotbraunen bis schwarzen  Fell auf. Bald verlieren sie ihr Interesse am Blick erwidernden Menschen und die Kraftprotze grasen wieder vollkommen friedlich auf dem Weidegrund bei Leising weiter.

 

Versuch der Rückzüchtung des Auerochsen/Ur

Bei den Tieren handelt sich um sogenannte Heck-Rinder, wie die Besitzer, die Biobauern Wolfgang und Matthias Braun aus Leising, bei einem Treffen neben der Weide zu berichten wissen. „Das hat nichts mit Hecken zu tun. Vielmehr sind sie das Ergebnis langjähriger Versuche der Rückzüchtung des ausgerotteten Auerochsen, auch Ur genannt. Begonnen damit haben die Brüder Heinz und Lutz Heck, Zoodirektoren in Berlin und München, in den 30er Jahren“, klärt der Vater Wolfgang auf. Der Ur gilt als Stammvater aller heutigen Hausrinder. Schon Julius Cäsar war von den mächtigen Tieren tief beeindruckt und hat sie in die Beschreibung  seiner Kriegszüge in den für die Römer etwas unheimlichen Norden mit einbezogen. In Süddeutschland wurden die in den europäischen Wäldern wild lebenden Tiere durch rücksichtslose Jagd bereits im 11. Jahrhundert ausgerottet. Da ihr Aussterben detailliert dokumentiert wurde, weiß man, dass das letzte Exemplar, eine Kuh, 1627 in Polen erlegt wurde. Das andere europäische Wildrind dagegen, der Wisent, auch „europäischer Waldbison“ genannt, hat alle menschlichen  Nachstellungen in Zoos überlebt. Jetzt ist er sogar wieder in mehreren Freilandgehegen zu besichtigen, zum Beispiel im Donaumoos im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.

Rinder verhindern Verbuschung der Ausgleichsflächen

Die Rückzüchtung ist nur teilweise gelungen. Die Heckrinder sind um einiges kleiner als die kraftstrotzenden Auerochsen, bilden aber ebenfalls ein dichtes Winterfell aus. Wissenschaftler glauben, dass sie mit den ausgerotteten Auerochsen fruchtbare Nachkommen zeugen könnten, sodass sie mit ihnen zur selben Art gehören. Die Heckrinder sind sehr robust, kommen sowohl mit hohen wie auch mit tiefen Temperaturen zurecht und sind dazu anspruchslos im Fressverhalten. Sie eignen sich besonders zum Einsatz in der Landschaftspflege, hauptsächlich zur Beweidung von ehemals durch Menschen genutzten Flächen, um eine Verbuschung zu verhindern. Genau dieses sollen sie auch auf den drei Ausgleichsflächen um Leising bezwecken.

Ganzjährige Haltung im Freien erfordert großen Aufwand

Seit dem Frühjahr waren die fünf Rinder zunächst rund um den Leisinger Weiher zu sehen. Seit ein paar Tagen sind sie auf das viel größere Naturschutzareal an der Altmühl in Richtung Beilngries ausgewichen – auch wegen der vorherrschenden Trockenheit. Die dritte viel kleinere Fläche befindet sich an der Altmühl nahe Leising in Richtung Kottingwörth.

Angefangen hat alles im vergangenen Jahr, als die Ausgleichsfläche um den Leisinger Weiher mit vier sogenannten Pinzgauern der Familie Braun beweidet wurde. „Dann kam der Landschaftspflegeverband Eichstätt auf uns zu mit dem Vorschlag, die gesamten sieben Hektar der drei Areale dauerhaft zu beweiden. Allerdings hat der Verband zur Auflage gemacht, dass es sich dabei um Heckrinder handeln muss“, berichtet Wolfgang Braun. Weil auch die Untere Naturschutzbehörde und der Flächenbesitzer, die Stadt Beilngries, zugestimmt haben, konnte das ökologische Projekt mit einem unbefristeten Pachtvertrag gestartet werden. Erst kürzlich hat die Familie um jedes der drei Areale einen aufwendigen massiven Elektrozaun für die Dauerbeweidung aufgebaut. Dabei fanden auch starke  Rundpfähle aus europäischem Robinienholz, verwandt mit Akazien, Verwendung, da sie bis zu 30 Jahre haltbar sind, obwohl sie über einen Meter in den Boden gerammt wurden.

Die vier Kühe stammen vom  Naturschutzprojekt Pfaffenfeld bei Schrobenhausen, der Stier von einem ähnlichen Projekt bei Ellwangen. „Im nächsten Frühjahr erwarten wir Nachwuchs, im besten Fall haben wir dann insgesamt neun Rinder “, hofft Matthias Braun. Und sein Vater ergänzt: „Auf den insgesamt sieben Hektar dürfen wir höchsten 15 Großvieheinheiten (GVE) halten. Überzählige Tiere sind für die weitere Züchtung sehr gefragt. Aber sie sind auch bekannt für ihr gutes Fleisch.“

Die Tiere sind das ganze Jahr über im Freien, da drängen sich Fragen auf: Was geschieht in einem schneereichen, frostigen Winter, was bei einem großen Hochwasser? Auch darauf sind die engagierten Viehhalter gut vorbereitet. In der nächsten Woche werden zwei fahrbare Unterstände aufgestellt. Sie bieten sowohl im Sommer wie auch im Winter Schutz vor der Witterung. Außerdem stehen noch zwei Brunnenbohrungen für zwei stationäre Tränken an, die im Winter sogar beheizbar sind. „Die Tiere müssen das Wasser durch Druckausübung selbst heraufpumpen. Das ist aber kein Problem, da sie das von ihrer früheren Weide schon kennen.“ An der  bereits vorhandenen kleinen mobilen Tränke demonstriert Wolfgang Braun mit dem Fuß deren Funktionsweise. Das Wasser wird per Schlauch aus der Altmühl bezogen. „Das hier ist eine Mutterkuhtränke mit einem kleinen seitlichen Becken, weil die Kälber den Pumpmechanismus anfangs noch nicht auslösen können,“ erläutert er.

Nur im Winter und bei Hochwasser soll mit Heu zugefüttert werden. Dazu wird eine Futterraufe aufgestellt. Sollte das Wasser zu sehr ansteigen, können die Tiere auf eine Wiese am Hang der Winterleite gebracht werden. Vonnöten ist auch noch eine Fanganlage mit Behandlungsstand, denn einmal im Jahr muss den Rindern zur Tierseuchenbekämpfung Blut abgenommen werden, wie übrigens anderen Hausrindern auch - außer Milchkühen, denn die Erreger kann man auch in deren Milch erkennen.

Teil des Bio-Bauernhofs

2009 haben sich die Brauns von Leising dem Biolandverband angeschlossen und sind zu Biobauern geworden. Zum Hof gehören neben den Heckrindern noch 17 andere Rinder, Pinzgauer und Fleckvieh, die ebenfalls auf einer großen Weide frei gehalten werden. Auf den Äckern baut die Familie unter anderem Dinkel und Erbsen an. An einen eigenen Hofladen ist vorerst nicht gedacht. Die Produkte werden über das Kloster Plankstetten vermarktet.

In der künstlich angelegten „Wildnis“ an der Altmühl finden die fünf Nachfahren der fast schon mythischen Auerochsen nahezu ideale Lebensbedingungen vor. Sie fühlen sich sichtlich wohl hier, sind auch gerne am und im Wasser, wie sich in den letzten Wochen deutlich gezeigt hat. 

Vom Fotografieren jedoch scheinen die scheuen Vegetarier nicht allzu viel zu halten. Schnell ziehen sie sich durch das hohe Gras in den dichten Schilfstreifen zurück, wo sie eine noch bessere Deckung finden und kaum noch zu sehen sind. „Streicheln wie andere Rinder lassen sie sich nicht, aber wenn sie im Winter hungrig sind und gefüttert werden, kann sich das ja vielleicht noch ändern“, meint Wolfgang Braun. Sie sind halt doch keine echten Auerochsen, bei denen eine solches Ansinnen völlig aussichtslos und auch gefährlich gewesen wäre, wie schon ein Julius Cäsar geschrieben hat. Der Mensch kann eben nicht alle seine egoistischen Eingriffe in die Natur wieder gutmachen. So führen uns die Heckrinder auch den Verlust der Artenvielfalt vor Augen, der vor allem in unserer Zeit mit rasantem Tempo voranschreitet. Andererseits sind die wundervollen freiheitsliebenden Tiere wirklich mehr als bloß ein Ersatz.