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Hilfe für Helfer: Wenn Feuerwehreinsätze den Routinerahmen sprengen

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Die Feuerwehr löscht Brände und rettet dabei womöglich anderer Menschen Hab und Gut oder sogar deren Leben. Das vermittelt Feuerwehrmännern  und –frauen sicherlich ein positives Gefühl der Zufriedenheit und lässt sie Dank und Anerkennung erfahren. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

 

So riskieren die in unserer Region zumeist ehrenamtlich aktiven Männer und Frauen bei Einsätzen manchmal ihre Gesundheit, ja ihr eigenes Leben. Sie werden außerdem zum Beispiel bei Naturkatastrophen  und sicherlich noch häufiger zu Verkehrsunfällen gerufen, wo sie oft mit schrecklichen Erfahrungen konfrontiert werden: Schwerstverletzte oder sogar vor Ort Verstorbene, ihnen womöglich bekannte Personen, Jugendliche, Kinder müssen geborgen werden. Erhebliche physische und vor allem bis an die Belastungsgrenze reichende  andauernde psychische Belastungen sind die Folge. Wie werden sie damit fertig? Wie können sie nach den furchtbaren Eindrücken nach wie vor ihre Aufgaben in Beruf und Familienalltag bewältigen? Was und wer kann ihnen dabei helfen?

Solche Fragen standen am vergangenen Mittwochabend im Kottingwörther Feuerwehrhaus im Mittelpunkt eines Treffens mit geschultem Fachpersonal von der Feuerwehrseelsorge des bischöflichen Ordinariats Eichstätt und des Malteser-Hilfsdienstes, Dienststelle  Preith. Der hauptamtliche Notfallseelsorger Harald Trampert wurde dabei von den ehrenamtlich tätigen Gerhard Krycha, Leiter der Bundeswehrfeuerwehr am Flugplatz Manching, und Thomas Schneider von der Feuerwehr Großmehring, ebenfalls in der Einsatz-Nachsorge ausgebildet, unterstützt. Sie und andere seien – im Gegensatz zu einem Kriseninterventionsteam – für die Einsatzkräfte, und zwar für „alles, was Blaulicht hat“,  zuständig.

Ein gutes Dutzend Aktive der Kottingwörther Wehr saß mit den drei erfahrenen Fachleuten  der Stressprävention und Einsatz-Nachsorge zusammen, um Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen zu diskutieren. Auslöser zu diesem außerordentlichen Treffen war der Einsatz beim schrecklichen Verkehrsunfall mit Todesfolge am 2. Juli bei Leising.

Harald Trampert wollte ganz bewusst keine Wissensvermittlung durch Vorträge, sondern einen gegenseitigen Gedanken- und Erfahrungsaustausch, was zu einer intensiven, für die Anwesenden sehr fruchtbaren Aussprache führte.

Wie kann man solche Extremsituationen mit der unvermittelten Teilhabe an schlimmsten menschlichen Tragödien verarbeiten? Kann man sich darauf vorbereiten?  Die Experten betrachteten den Erfahrungsaustausch als „Hilfe zur Selbsthilfe“.  Zu beachten sei, dass es bei einem Einsatz bei den einzelnen Helfern ganz unterschiedliche Stressniveaus gebe. Verständnis, gegenseitige Unterstützung bis hin zur Ablösung seien dann vonnöten. Nicht zuletzt hier liege eine große Verantwortung der Führungskräfte. Zu Extremsituationen komme es vor allem dann, wenn zum Beispiel Bekannte oder gar Verwandte involviert sind. Dann müssten die Einsatzleiter eigene Leute möglichst vom Zentrum des Unglücks zurückziehen und anderen Kräften den Vortritt lassen. Man müsse aber bei zu starker Betroffenheit auch selbst den Mut haben, um eine Ablösung zu bitten. „Denn“, so Trampert, „wenn man sich nicht mehr distanzieren kann, ist man nicht mehr einsatzfähig.“ Das seien erste vorausschauende Schritte der Belastungsminderung und Stressprävention.

Extremsituationen wirken sich - individuell unterschiedlich -  auf das Unterbewusstsein (zum Beispiel Wiederwahrnehmung von Gerüchen, Geräuschen; Träume) und das Verhalten aus. Manche reden viel, andere wenig; Raucher rauchen mehr; Heißhunger oder Appetitlosigkeit treten auf; manche sind ganz still, andere überdreht. Typisches Kennzeichen ist auch eine einsilbige, knappe Sprache. Das und anderes sind laut Trampert „gesunde Reaktionen“, die der Stressbewältigung dienen. Das müsse man wissen und berücksichtigen, auch die Angehörigen der Einsatzkräfte.

Bei dem intensiven Erfahrungsaustausch kam neben weiteren Themen auch zur Sprache, wie man mit den eintreffenden, hoch-emotionalisierten Angehörigen von Unfallbetroffenen umgeht. Unter anderem habe es sich bei einem Todesfall bewährt, einen Geistlichen zu verständigen.

Bei der Bewältigung  von Einsätzen, die den Routinerahmen sprengen, gelte der Grundsatz: „Die beste Nachbereitung ist die Gruppe selber.“ Im Idealfall sollte man sich unmittelbar nach dem Einsatz zusammensetzen und sich austauschen, wenn nicht sofort möglich, dann am nächsten Tag. Jeder habe das Geschehen aus einer eigenen Perspektive wahrgenommen. „Alleine ist das Stresslevel oft zu hoch“, so der erfahrene Experte. Ergänzend sollte man Abstand durch Entspannung und Ablenkung suchen, zum Beispiel einem Hobby nachgehen, Lieblingsmusik hören, ein interessantes Buch lesen, spazieren gehen oder auch nach einem langen nächtlichen Einsatz einfach dem Schlafbedürfnis nachkommen. „Auch der Alltag stabilisiert“, so Trampert.

Zum Abschluss der etwa zweistündigen Gesprächsrunde boten die drei Experten an: „Habt keine Hemmungen, wendet euch an uns!“ Dies gelte nach einem belastenden Einsatz oder auch zur Vertiefung eines bestimmten Themas. Niemand solle sich allein gelassen fühlen.

Erster Kommandant Martin Beckenbauer, der das außergewöhnliche Treffen mitinitiiert hatte, bedankte sich bei den drei erfahrenen Experten und betonte im Namen aller den reichen Zugewinn an hilfreichem Wissen zur Vorbereitung auf  Extremsituationen und zur anschließenden psychischen Bewältigung.

Foto:

Intensiver Gedankenaustausch im Kottingwörther Feuerwehrhaus; Harald Trampert (Mitte rechts mit Brille)