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Viel Witziges, aber auch Nachdenkliches im Stadel

Fotos

Der Treffer Stadl ist brechend voll, mit Spannung erwarten die zahlreichen Besucher aus der Region den Auftritt des einheimischen Musikkabarettisten Michael Mathis. Wo ist noch ein Platz frei? Einzelne Reservestühle werden aus einer Ecke geholt: Hier geht`s noch.

Gerhard Paulus, der Vorsitzende des Vereins für Tradition und Kultur in Kottingwörth e. V., wartet bei der Begrüßung gleich mit einer Überraschung auf: Michael Mathis spendet den Erlös des Abends großzügig an den Verein und dieser wird ihn ebenfalls großzügig an bedürftige Menschen in der Region weitergeben. Spontan folgt der erste Beifall.

Der nächste gilt dem Alleinunterhalter, der ganz lässig und unaufgeregt die Bühne betritt, sich vor der großformatigen Schwarz-Weiß-Skizze des Kottingwörther Dorfplatzes platziert und sich zunächst einmal mit seiner Flasche Jesuitenquelle auseinandersetzt. Über zwei Stunden wird der Hautarzt und Kabarettist sein Publikum mit seinem Programm „Wenn möglich, bitte wenden!“ bestens unterhalten.

 Zunächst outet er sich als Kunstbanause und macht sich über die Auswüchse der modernen Kunst lustig. Da fotografiert einer, der in der Szene schon einen Namen hat, den „Saustall in seinem Zimmer“ - und so etwas gilt dann als große Kunst. Hier zeichnet sich schon das Strickmuster des Abends ab: Mit launigen Worten führt Mathis jeweils zu den einzelnen Themen und Liedern mit virtuosem Gitarrenspiel hin. Die Lacher und der Applaus des Publikums sind ihm immer sicher. Mehrmals sind diese zum Mitsingen herausgefordert, was im Allgemeinen ganz gut „hinhaut“. Nur einmal ist zusätzliche Hilfestellung unumgänglich: Wer kann sich schon alle möglichen pharmazeutischen Wirkstoffe, aus denen der Refrain besteht, merken! Ein Gast hält ein Plakat mit den gut lesbaren einzelnen Silben hoch, dann geht die Post ab.  

Die Wahl der Themen ist stark vom Arztberuf beeinflusst. Das Lied von der Globulimutter enthält überaus scharfe Spitzen gegen die alternative homöopathische Medizin („Globuli ja- solange Cortison drin ist“). Dann sorgen die apokalyptischen Heimsuchungen „Pickl, Plätz`n und Pepp`m“ für Heiterkeit im Stadel, bevor einem die amerikanischen Chlorhendl und unsere Antibiotikabomben gründlich den Appetit verderben („Schmeckt es immer noch zu fad, nimm eine Prise Glutamat.“). Kritik am geplanten TTIP-Abkommen wird geschickt mit einbezogen. Auch Schönheitsoperationen und das Rauchen werden abgearbeitet. Zynisch bedankt sich der Kabarettist bei den Rauchern für die 14 Milliarden Tabaksteuer jährlich, bevor er in seinem Lied die eifrig gesammelten Zigarettenkippen „auszuzelt“ und die Raucher bittet, ja nicht aufzuhören. Vor der Pause begibt er sich als Ehemann auf die vergebliche Suche nach dem G-Punkt, später wird er noch das mehr als fragwürdige Geschäftsgebaren der Pharmaindustrie aufs Korn nehmen, wobei ihm vor allem die Ratiopharm-Zwillinge von der Arzneimittelwerbung  gehörig auf den Geist gehen.

Zwischendurch watscht er mehrmals den CSU-Generalsekretär Scheuer und Verkehrsminister Dobrindt tüchtig ab. Nicht alle Themen können hier nachbehandelt werden, aber der Ehealltag nimmt auffällig  breiten Raum im Programm ein, z. B. das oft traurige Kapitel Männer und das Kochen. Aber da gibt es jetzt ja Abhilfe, den Thermomix, „den Schneebesen mit Zentralheizung“: „Da kann auch jeder Depp was servier`n.“ Ganz dramatisch wird es, wenn ein Ehemann gegenüber seiner verunsicherten, erwartungsvollen Gattin seine echten Gefühle äußern soll. Nichts nervt mehr, das endet oft in einer Katastrophe, „wenn sie allawei so bled fragt.“

Beim Lied vom Umgang unserer Wegwerfgesellschaft mit den Lebensmitteln - Thema Mindesthaltbarkeitsdatum - bleibt einem angesichts des angesprochenen Elends und Hungers in der Welt das Lachen im Halse stecken. „Wir Übersättigten haben nie gespürt, wie der Hunger tut.“ Tagtäglich werden wir mit den himmelschreienden Ungerechtigkeiten und Untaten in den Medien konfrontiert, aber unsere Alltagsprobleme sind uns viel, viel wichtiger: Über Wartezeiten beim Arzt oder Warteschleifen bei Telefonanrufen regen wir uns lauthals auf, dass jeden Tag, ja jede Minute, Kinder an Hunger sterben, lässt uns kalt.

Hier zeigt sich ein weiteres Grundprinzip von Mathis` Texten und Liedern: Es geht ihm nicht nur um Klamauk und Anreize zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken, denn auf seinem Seziertisch landen immer wieder auch die großen Probleme unserer Zeit. Der Humor dominiert, aber ein ernster Grundton schwingt immer wieder mit und dominiert phasenweise sogar, vor allem gegen Ende zu.

Nach dem kurzweiligen Abend, an dem man viel gelacht hat und bestens unterhalten wurde, geht man auch ein wenig nachdenklich nach Hause.